geert lovink on Thu, 23 Jan 2003 06:24:59 +0100 (CET)


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Re: [rohrpost] Aus der NZZ


From: "Florian Cramer" <cantsin@zedat.fu-berlin.de>
To: <rohrpost@mikrolisten.de>
Sent: Tuesday, January 21, 2003 12:52 AM
Subject: Re: [rohrpost] Aus der NZZ


> Geert, dann müßten wir aber auch einmal über geplatzte Dotorg-Blasen
> mit Parallelen zur Dotcom-Economy reden, und zwar vor allem über
> rhizome.org.

Klar, sehe ich auch so. Dotorgs sind nicht so anders als sie manchmal
denken.

> Nachdenklich aber macht die insgesamte
> "cash burn rate" von Rhizome von zuletzt über $400.000 pro Jahr,
> inkl. Jahresgehältern von $47.260 und $36.692 (im Jahr 2000) für Mark
> Tribe und Alex Galloway, die der Netzkünstler m e t a recherchiert hat:

Das mag viel sein für mich und dich aber in der US sind das etwa
niedrig-mittelmäßigen Akademikereinkommen. Ich verteidige es
nicht, ich sage nur das wir 'Einkommen' aus einer lokalen Perpektive
beurteilen sollte. New York ist nun mal nicht Berlin.

 > Problematisch erscheint mir, daß rhizome eine Non-Profit-Organisation
> ist und davon lebt, daß Künstler kostenlos zu den rhizome-Mailinglisten
> und der Artbase beitragen

Ja, das ist das Problem. Diejenigen die den Inhalt von Rhizome
letztenendes realisiert haben, müßen jetzt blechen für das Recht
ihre eigene Beiträgen abrufen zu können.

Ich bin aber im Prinzip nicht gegen das Abosystem. Rhizome
aber hat so seine eigene Geschichte und alle wissen das Mark Tribe
es irgendwann als Archiv für viel Knete an MoMa oder sonst wer
verkaufen wird. Da liegt das Problem, nicht in die 5 dollars.

Deine Empörung über die Rhizomepolitik verstehe ich aber nicht.
Alle Medien haben das Recht ihre Inhalte zu bestimmen und weg
zu nehmen was sie sollen. Es gibt keine absolute Freiheit. Alles ist
und wird editiert weil letztenendes es immer ein list owner oder
domain name owner gibt. Das gilt auch für Rohrpost und
natürlich für nettime wo Ted und Felix ziemlich viele postings stoppen.

 > Linus Torvalds ist immer so klug gewesen, nicht für Linux-Firmen zu
> arbeiten. Er ist in die VA-Geschichte aber insofern verwickelt, als
> "Linux" sein eingetragenes Warenzeichen ist und somit der Firmenname
> "VA Linux", das Börsenkürzel "LNUX" und die Domain "linux.com" nur mit
> seiner Duldung bzw. seinem Einverständnis geführt werden können.

Mag sein. Er war aber bei der IPO selbst anwesend und es gibt dazu
einiges in sein Buch 'Just for Fun' wo er schreibt:

"I had been given a stock grant and options for shares in VA Linux." (p.
175)

Es mag also sein das er nie für Linuxfirmen gearbeitet hat, aber klar wurde
als insider behandelt und stock options zugesteckt. Dies gilt nicht für
Florian Cramer oder den tausenden anderen freie Softwareentwickler.

 > Man könnte solch eine Analyse der
> Börsenökonomie verbinden mit einer Analyse des Aufkommens der
> Konzeptkunst, postmoderner Schreibweisen in der Literatur, des
> "linguistic turns" in den Kulturwissenschaften sowie dem Boom der
> Computersoftware als Immaterialisierung von Arbeitsabläufen; zumal alle
> diese Phänomene sowohl konzeptuell, als auch historisch miteinander
> verwoben sind.

Ja, waren schreibst du dieses Buch eigentlich nicht? Gute idee.

> Auf der anderen Seite kann einem diese geschichtsphilosophische
> Sichtweise den Blick auf die Gegenwart verstellen. Denn
> die Ironie dieser Geschichte ist ja, daß die verbliebenen
> Groß-Dotcoms wie Amazon und Ebay jetzt profitabel geworden
> sind und gerade im Weihnachtsgeschäft Rekordumsätze gemacht
> haben.

Mal sehen. Noch sitzen die auf einen enormen Schuldenberg. Ich habe aber nie
behauptet das niemanden online Bücher kaufen wird... oder Flüge bucht weil
das klar zwei Geschäfte sind die ganz bequem online zu machen sind. Darum
aber ging es während den Dotcombooms nicht.




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