[rohrpost] Lungendurchschuss in Designerunifrom

[Cornelia Sollfrank <cornelia@snafu.de>]

Hamburger Abendblatt
Montag, 13. Januar 2003
Hamburg

Colani: So viele Ideen, aber das Problem sind die Frauen 
Designer traf sich mit 26 Polizeibeamten, um die neuen Uniformen zu besprechen

Von Christian Denso, AP 

"Das Problem sind die Girls". Ganz in Weiß, mit schweren Fellschuhen, steht der Mann mit dem Walrossbart im Sitzungssaal des Kommissariats 42 und doziert: "Ihr sollt ja keine Männerkopie sein, ihr seid schließlich Damen." Einwände hat jetzt ausgerechnet ein männlicher Polizist: Viele der Kolleginnen wollten nur die Männerhosen. Die Hemden müssten für die Frauen schon anders geschnitten sein, wirft eine Obermeisterin ein. "Ihr Girls seid ja anders gebaut", stimmt Colani zu: "Ich weiß ja nicht, wie das ist, mit Brüsten zu leben." "Es ist nicht schlimm", antwortet die junge Frau trocken. 
Szenen einer "Begegnung zweier Welten", wie es Innenbehörden-Sprecher Thomas Model (35) später nennt. Luigi Colani auf der Wache in Billstedt. Drei Stunden nahm sich der Designer Zeit, um zu hören, was 26 Polizeibeamte ihm aus der Praxis in den Skizzenblock diktierten. "Die schärfsten Uniformen des Kontinents" hatte er der Hamburger Polizei versprochen, als ihn Innensenator Ronald Schill (44) im Oktober als zweiten Designer an die große Aufgabe ließ. 
"Eine intelligentere und frechere Schulter" versprach Colani. "Das Erscheinungsbild wird mittlerweile bei den Männern viel weicher gezeichnet, die MachoNummer ist vorbei", erklärte der Zigarrenraucher. "Haben wir denn hier mal eine Mütze handy?", fragt der 74-Jährige auf Deutsch-Englisch, als über deren Form geredet wurde. Auch wenn vieles eher angerissen blieb: Die Beamten wurden bei Kaffee, Saft und belegten Brötchen zumindest hervorragend unterhalten. 
"Gut krempelbare Hemdenärmel", "Platz für Kugelschreiber in der Hemdtasche", forderten die Polizisten etwa von dem Designer, der alle duzte. Die Veranstaltung glich teilweise einem Termin beim Maßschneider: Ob sie vielleicht Halstücher tragen wollten, fragte er zurück, gerne das Hamburger Wappen auf der Krawatte hätten oder die "Soufflé-Taschen" lieber seitlich oder vorne auf der Hose sitzen sollten: "Letzteres finde ich praktisch, weil ich so oft in flachen Sportwagen unterwegs bin." 
Auch wenn die Hosen Reißverschlüsse und vielleicht keine Bügelfalte, die Hemden aber auf jeden Fall Elastan haben sollen, steht bisher nur eines fest: Blau sollen die Uniformen sein. So viel war auf den Zeichnungen zu erkennen, die auf Stellwänden aushingen. Das Fazit der Beamten reichte von "ich fühlte mich nicht ernst genommen" bis "ich bin sehr zuversichtlich". "Der war super entfernt von allem", meinte eine Bereitschaftspolizistin nach der Colani-Show. "Ich bin zuversichtlich, dass die Uniform praktischer, funktionaler wird", sagte ein Kollege dagegen. "Das Eis ist geschmolzen", resümierte Behördensprecher Model. 
Doch wichtige pragmatische Gesichtspunkte, etwa die Greifbarkeit der Dienstwaffe bei Jacken, wurden nur gestreift. Und die Gretchenfragen von Sponsoren und Finanzierung? Das waren Probleme, die der kostenlos arbeitende Colani, ohne dass sie Thema sein sollten, ansprach. 
Da dürfe nicht um 500 Euro Mehrkosten pro Uniform diskutiert werden, forderte der Mann in Weiß und war am Ende kaum zu halten: "Für eine so wichtige Institution wie die Polizei kann man nicht mit gebremstem Schaum arbeiten! Da werden uns schon ein paar lustige Ideen einfallen, um die Leute zur Kasse zu bitten. Die Sponsoren könnten etwa ihre Knöllchen eintauschen. Es sollte unsere Tüchtigkeit sein, die paar Klamotten zu finanzieren. Wenn die Beamten das Recht haben, abends mit einem Lungendurchschuss nach Hause zu kommen, dann haben sie auch das Recht auf eine gute Uniform. Aus, Ende der Durchsage."

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