osdem-it on Fri, 30 Nov 2001 12:41:17 +0100 (CET) |
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[rohrpost] Beobachtungsstelle über den Zustand der Demokratie in Italien |
Lieber Freund, liebe Freundin, Ab 27 November wird die erste Ausgabe der monatlichen Newsletter www.osdem.it der Beobachtungsstelle über den Zustand der Demokratie in Italien online im Netz sein. Die Newsletter wird eine Gedächtnisstütze über die Prozesse der autoritären Rückentwicklung und der mafiösen Korruption enthalten, die in Italien im Gange sind. Unser Blatt wird keine "Bombennachrichten" oder Skandalgeschichten oder schwer zu entdeckende Geheimnisse enthalten. Es wird absolut offensichtliche Informationen enthalten, die aus dem aufmerksamen Lesen der Tageszeitungen und aus einer aufmerksamen Teilnahme am sozialen Leben unseres Landes abgeleitet werden können. Seine Funktion liegt einzig und allein darin, monatlich den Prozess, der die Demokratie und das zivile Leben unseres Landes zerstört, zusammenzufassen und diejenigen, die - wie Sie selbst - sicher viele andere Dinge haben, auf die sie ihre Aufmerksamkeit richten müssen, daran zu erinnern, dass unser Land in Barbarei und Unkultur versinkt. Was in Italien geschieht, hat sicher den Charakter nationaler Besonderheit, aber es besteht die Gefahr, dass es der Beginn einer Infektion ist, die dazu bestimmt ist, sich im Körper Europas auszubreiten. Dies ist bereits einmal geschehen, im vorigen Jahrhundert. Tun wir etwas, damit sich dies nicht wiederholt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit OSDEM.it Beobachter zum Zustand der Demokratie in Italien www.osdem.it/de/ Seit die rechte Koalition an die Regierung gekommen ist, befinden sich in Italien die Legalität, das zivilisierte Zusammenleben, die Freiheit und die Kultur in großer Gefahr. Berlusconi, der gegenwärtige Ministerpräsident, hat die Macht dank enormer Geldsummen, die in Wahlwerbung investiert wurden, erobert. An Geld fehlt es ihm nicht, da er im Laufe von 30 Jahren mithilfe der Mafia und geheimer Gemeinschaften wie der Loge P2, deren Mitglied er war, ein finanzielles Imperium errichtet hat. Und es fehlt ihm auch nicht an der Möglichkeit zur kommunikativen Infiltration, angesichts der Dimensionen des Medienimperiums, das von ihm abhängt. Die Vorherrschaft über das Mediensystem stellt eine tödliche Gefahr für die italienische Demokratie dar. Aber nicht weniger gefährlich als Berlusconi und seine Partei-Firma sind die Parteien, die ihn unterstützen. Eine ist direkt vom faschistischen Regime abgeleitet, die andere ist erklärtermaßen rassistisch und hat lange die Sezession des Nordens und die Ausweisung der Ausländer gepredigt. Faschismus und Mafia sind in der italienischen Geschichte nie eine Allianz eingegangen. Obwohl sie beide Symptome für eine gewisse Pathologie der nationalen Identität sind, haben sie sich historisch gesehen gegenseitig ausgeschlossen. Die Mafia ist eine auf der Familie und dem Stamm basierende Organisation, die den Staat ersetzt und Sonderinteressen mit Erpressung, Gewalt und Korruption verfolgt. Der Faschismus hingegen ist die aggressive Behauptung der staatlichen Autorität und eine systematische Gewalt gegen die Gesellschaft. Heute sind diese beiden Formen zum ersten Mal vereint. Während der Tage in Genua haben wir die totalitäre Maschine, über die diese Regierung verfügt, in Aktion gesehen. In jenen Tagen hat der Vize-Ministerpräsident, Gianfranco Fini, zwei Tage im Polizeipräsidium von Genua verbracht, von wo aus er die Handlungen der Gewalt, die Unterdrückung und die Folter, den Mord an einem jungen Menschen und die Aggression gegen die Bürger, die gegen das Gipfeltreffen G8 protestieren wollten, leitete. Die ausländerfeindlichen Instinkte dieser Regierung zeigten sich, als es sich darum handelte, die Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte gesetzlich zu regeln. Die Regierung hat festgelegt, dass illegale Einwanderung strafrechtlich zu verfolgen sei, so als handele es sich schon von ganz allein um eine Straftat, und hat festgelegt, dass die ausländischen Bürger nur für den Zeitraum, in dem sie einen Arbeitsvertrag haben, eine Aufenthaltserlaubnis haben dürfen. Bei anderen Gelegenheiten wurde die gesetzgebende Aktivität brutal den Interessen der Regierungsmafia unterworfen. In großer Eile wurden gesetzliche Maßnahmen beschlossen, die dazu dienen, den Ministerpräsidenten und seine direkten Komplizen den Ermittlungen zu entziehen, die Justiz seit Jahren über ihre Geschäfte anstellt. Berlusconi, Fini und Bossi stellen eine Gefahr für die Demokratie in Italien, aber auch für die Stabilität Europas dar. In diesem unverschämten und barocken autoritären Regierungssystem liegt natürlich etwas speziell Italienisches, aber es ist auch ein Teil darin, der exportiert werden kann, der beispielhaft ist, etwas, das die Gesellschaft der anderen europäischen Länder anstecken kann. Aus diesem Grunde halten wir es für wesentlich, einen systematischen Informationsdienst über die Tätigkeiten der mafiösen Kräfte, die in Italien an der Regierung sind, zu bieten, über ihre gesetzgeberischen Initiativen, über die Unterdrückung der Widersprüche, über die freiheitstötenden Pläne und über jene Erklärungen der Hauptfiguren der heute Italien regierenden politischen Klasse, die es ermöglichen, ihre antidemokratische Kultur zu beleuchten. OSDEM.it hat vor, diese Rolle zu übernehmen. Franco Berardi Bifo ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste fuer Medien- und Netzkultur Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost Info: http://www.mikro.org/rohrpost Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de