Ulrike Rogler on Wed, 21 Nov 2001 11:49:40 +0100 (CET) |
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[rohrpost] Berliner Gazette, 21.11. [Allegra] |
Derzeitige Praesidentinnen oder: >>Was ist an weiblichen Regierungsvertretern so faszinierend?<< [ ] Antwort: Laura Horelli, Kuenstlerin [1] Praesidentinnen [2] interessierten mich vor allem wegen meiner Herkunft. Im Maerz 2000 kam in meinem Vaterland Finnland die erste Praesidentin an die Macht: Tarja Halonen gewann in der zweiten Runde mit nur geringem Abstand zu ihrem maennlichen Gegner Aho. Am Ende schien es den Waehlerinnen nicht darauf anzukommen, dass Halonen Sozialistin und frueher Kommunistin gewesen war, dass sie eine alleinerziehende Mutter ist und aus einer Arbeiterfamilie stammt, oder dass sie eine Sprecherin fuer Seta (eine Gruppe, die fuer die Rechte von Schwulen und Lesben eintritt) war. Nein, was am Ende zaehlte, war der Wunsch endlich eine weibliche Praesidentin zu haben. Als Halonen dann an der Macht war, fragte man sich, wie man sie bezeichnen sollte? Und wie sollte man ihren Freund nennen? Einige Medien machten hingegen aus ihrer aeusserlichen Erscheinung ein Thema. Ihr Kleidungsstil wurde unter die Lupe genommen, ihre Attraktivitaet diskutiert. Banalitaeten, wenn man bedenkt, dass bei ihrem Vorgaenger Martti Ahtisaari fast nie Kommentare ueber sein Aeusseres gemacht wurden. Dabei war er extrem fett und unbeholfen. Etwa einen Monat spaeter lass ich in einem Inflight-Magazin ueber die restlichen Praesidentinnen dieser Welt [3]. Damals waren es gerade mal vier: Chandrika Kumaratunga (Sri Lanka), Mary McAleese (Irland), Mireya Moscoso (Panama) und Vaira Vike-Freiberga (Lettland). Die Verteilung und geographische Lage dieser Laender mit einer Frau an der Spitze fand ich interessant. Panama, Irland, Finnland, Lettland und Sri Lanka, lauter kleine periphere Laender. Ansonsten sind diese Laender recht verschieden, zum Beispiel was ihre wirtschaftliche Lage betrifft. Bei den europaeischen Praesidentinnen ist auffaellig, dass sie lange politische oder oeffentliche Karrieren hinter sich hatten, bevor sie Praesidentinnen wurden. Lettlands Praesidentin hatte zum Beispiel an einer kanadischen Uni Karriere gemacht. Sie erhielt die lettische Staatsbuergerschaft erst kurz vor ihrer Wahl. In den Entwicklungslaendern kommen die Praesidentinnen vor allem aus politisch aktiven Familien. Kumaratunga, Macapagal-Arroyo (Philippinen) und Sukarnoputri (Indonesien) stammen darueber hinaus aus wohlhabenden Familien, und mussten sich so nicht um den Haushalt kuemmern. Ihre Vaeter waren sehr beliebte Staatsvertreter gewesen, die Ehemaenner einiger von ihnen sogar Politiker, die allerdings ermordet wurden. Alle haben eine akademische Ausbildung genossen, manche studierten sogar im Ausland, darunter Frankreich und USA. Im Zuge meiner Recherche markierte ich die Laender mit den Praesidentinnen auf einer Weltkarte. Das Ergebnis waren ein paar kleine Punkte, wie Kieselsteine in einem riesigen Ozean. Ueber die Botschaften erhielt ich Fotos von den Praesidentinnen. Ein Foto waere allerdings zu wenig gewesen, um diese Personen zu repraesentieren. Also fing ich an im Internet zu suchen - die realistischste und demokratischste Quelle, um Informationen ueber diese Praesidentinnen zu erhalten, von denen man nur so selten ausserhalb ihres Landes etwas in den Medien zu hoeren oder sehen bekommt. Ausserdem bieten sich im Internet auch gleich verschiedene Perspektiven. Da gibt es offizielle Sites, sowie Klatschseiten [5]. Vor diesem Hintergrund sammelte ich Informationen ueber unterschiedliche politische Situationen und verschiedene Perioden ihrer Amtszeit. Da ich eine moeglichst weite Sicht auf diese Praesidentinnen erhalten wollte, wurde die Bildsuche im World Wide Web fast zu einer Obsession: Ich kam mir vor wie ein Fan, der einem Idol hinterherlaeuft. Schliesslich erstellte ich Kollagen aus dem gefundenen Bildmaterial, um diese Frauen zu portraetieren. Waehrend die Anordnung der einzelnen Bilder rein zufaellig war, setzte ich die Kollagen als Ganzes gezielt ein, um die grauen Punkte auf der Weltkarte zu illustrieren. Diese zwei verschiedenen Perspektiven darzustellen, war mir sehr wichtig. Der Kontrast zwischen der schwarz-weissen Weltkarte und den bunten Kollagen unterstuetzte die Makro- und Mikroperspektive zusaetzlich. Schliesslich geht es mir in diesem Projekt auch darum, die Normalisierung von Ungleichheit zu thematisieren. 1. mailto:laura@kuva.fi 2. http://www.guide2womenleaders.com/Presidents.htm 3. http://www.womenworldleaders.org/ 4. http://www.inq7.net/issues/feb2001/feb13/opinion/mic.htm 5. http://www.ogradyshotel.com/gradypag/news.htm Und hier, wie jede Woche, ein paar ausgewaehlte Veranstaltungshinweise fuer die kommenden Tage: Do - 22.11. V o r t r a g : Die Fabrikation des Lebenswissens hat durch die Verbindung von Genetik und Informatik eine ungeheure Beschleunigung erfahren. In der Wahrnehmung der Oeffentlichkeit traegt diese Verbindung ein Janusgesicht: Als Ort faszinierender Entdeckungen und Entschluesselungen, aber auch als Liaison dangereuse, als Potential ungeahnten Fortschritts und grenzenloser Aengste. In dieser Situation arbeiten Kuenstler und Wissenschaftler an einem gemeinsamen Projekt: an der Reflexion der Voraussetzungen und der Auslotung der Effekte neuer Technologien, an der Sichtbarmachung der damit verbundenen, symbolischen, sozialen und biopolitischen Ordnungen, an der Erkundung der Art und Weise, wie Genetik und Medien die Entfaltung und Gestaltung der Lebensweisen und die Informierung (der Individuen) und Formierung (des Gesellschaftskoerpers) praegen und veraendern. >>Ist der homo sapiens exklusiv?<< fragen sich demnach Richard Lewontin, Anthony Aziz und Sammy Cucher im Rahmen der von Prof. Dr. Sigrid Weigel und Dr. Sabine Flach konzipierten Vortragsreihe WissensKuenste. Ort: Hamburger Bahnhof - Museum fuer Gegenwart, Invalidenstr. 50-51, 10557 Berlin. Fr - 23.11. V e r n i s s a g e : >>art works.consulting Kunst zwischen Gesellschaft und Unternehmen<< ist eine Austellung mit Werken von Kuenstlern und Managern. Kuenstler, Wissenschaftler, Wirtschaftsleute und Berater verlegen im Zuge dessen ihren Arbeitsort in die Galerie. Pierre Guillet de Monthoux [mailto:pguille@attglobal.net] und Dagmar Reichert [mailto:dreichert@gmx.ch], die Kuratoren dieses Projekts, haben ueber den Zusammenhang von Kunst und Wirtschaft nachgegruebelt, aber nicht auf alles eine Antwort gefunden: Wie arbeiten Kuenstler und Unternehmen in Zukunft zusammen? Was haben Manager und Kuenstler von einander zu lernen? Ist Kunst Kapital, ist Aesthetik eine Wirtschaftswissenschaft? Wie entdeckt man aesthetische Energie fuer wirtschaftliche Performanz? Wie setzen Kuenstler in der Wirtschaft ihre Interesse durch? Was bringt eine Zusammenarbeit zwischen Kuenstlern und Unternehmen den Arbeitnehmern? Und wie vermitteln Kuenstler zwischen Wirtschaft und Gesellschaft? Mit Beitraegen von Daniel Birnbaum, Dirk Luckow, Mike Meire, uva. Ort: Haus am Luetzowplatz [http://www.hausamluetzowplatz-berlin.de], Luetzowplatz 9, 18 Uhr. Sa - 24.11. P a r t y : DiG [http://www.dig-berlin.de], die Berliner Agentur fuer Kommunikationskultur, feiert sich selbst und laedt aus diesem Anlass zur Party ein! Es soll ein Fest werden, das sich ordentlich gewaschen hat. Trotzdem: No Dress Code. Dafuer aber ein festliches Programm: das Populaerprodukt Bewegtbilder ist am Start, die Kapelle Rock-A-Tiki Rhythm Rockers, sowie die Schallplattenentertainer Dead Boys Never Surf. Ausserdem gibt es musikalische Begleitung von Kyborg (NBI). Gruende fuer diese unuebliche Ansammlung von Stars gibt es zur Genuege. Stolz blickt DiG auf ein erfolgreiches Jahr zurueck. Gleichzeitig sind ihre gluehenden Augen hoffnungsvoll in eine goldene Zukunft voller Ruhm, Freundschaft und Glueck gerichtet. Think positive! Be DiG! Just be! Oder einfach nur dabei. Ort: Werketage e.V., Saarbruecker Str. 22-24, 22 Uhr. Bis naechste Woche, Ulrike Rogler mailto:ul.rogler@t-online.de PS: Peter Friedls Ausstellung im 1st Public White Cube [1] ist durch das Publikum auf zwei Ebenen veraenderlich. Man kann in Auktionen [2] den Zustand des Ausstellungsraumes beeinflussen; es koennen Gegenstaende, Visualisierungen, Installationen hinzugefuegt werden - Bedingung ist allein der Gewinn der im Internet durchgefuehrten Auktionen - sechs im Verlauf der Ausstellung, jede von drei Tagen Laenge. Darueber hinaus aber bietet Friedl die Veraenderung eines Textes [3] an, der unentgeltlich und ohne zeitliche Limitierung auf einer eigenen Internetseite fortgeschrieben werden kann. Es ist moeglich Dialoge, Regieanweisungen und Prosaeinschuebe zu schreiben. Der Kuenstler gibt sieben Charaktere und ein Szenario vor. Dem Publikum steht es frei, was es mit dieser Vorgabe macht. Bislang hat es sich gezeigt, dass die Veraenderungen im Raum und die Veraenderungen im Text durchaus ineinander greifen. So hat jemand von den Betreibern des PWC gefordert, Friedels Text im Ausstellungsraum aufzufuehren, diese Improvisation zu transkribieren und auf der Homepage einzupflegen (jetzt als roter Textteil markiert). Noch bis zum Ende diesen Monats bleibt Zeit diese Situation zu veraendern. Lassen Sie den Kompetenztransfer der Macher nicht ungenutzt. Nein, keine Machtspielchen, machen Sie einfach nur Ihren Einfluss geltend! 1. http://www.projektraum.org 2. http://www.projektraum.org/bieten.html 3. http://www.peter.to/ [ ] Impressum Berliner Gazette - das woechentliche Mini-Feuilleton im elektronischen Briefformat, wird von http://www.kulturserver.de herausgegeben [ ] Redaktion Berliner Gazette Florian Kosak Ulrike Rogler Anne Schreiber Krystian Woznicki (V.i.S.d.P.) 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