Pit Schultz on Wed, 29 Mar 2000 19:03:00 +0200 (CEST) |
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[rohrpost] Dossier der IK Philosophie Wien zu schwarzblau |
ganz interessant, wie sich hier auf breiter ebene eine 'gegen-oeffentlichkeit' ausbildet. vielleicht hat der haiderhype doch etwas gutes und die 'internet generation' damit eine erste schlacht geschlagen, mit hilfe der alpentourismusindustrie versteht sich. 7p --- Date: Tue, 28 Mar 2000 16:17:23 +0200 (CEST) From: herbert <herbert@philo.at> Hier das Ergebnis der Beratungen ueber aktuelle politische Fragen in der Institutskonferenz Philosophie der Universitaet Wien. h.h. __________________ Institutskonferenz des Instituts für Philosophie Universität Wien Dossier zur politischen Lage 22. März 2000 Die folgenden Stellungnahmen lagen der Institutskonferenz zur Abstimmung vor. Sie unterscheiden sich in Begründungsstrategie und Stil, obwohl sie auf dieselbe Sache zielen. Statt die Texte in einer nivellierenden Redaktion zu homogenisieren, hat die Instituskonferenz daher beschlossen, sie zu einem Dossier zusammenzufassen und als unterschiedliche Ausformulierungen einer Überzeugung anzuerkennen, die von den Mitgliedern der Institutskonferenz einstimmig geteilt wird. I Wer gegenüber dem Ungeist schweigt, macht sich schuldig. Wir protestieren gegen den Ungeist, der Politik mit dem Schüren von Hass und Ängsten verwechselt. Wir protestieren gegen den Ungeist, der statt Offenheit und Neugier gegenüber anderen Kulturen und Lebensformen mit Provinzialismus und Fremdenfeindlichkeit reagiert. Wir protestieren gegen den Ungeist, der mit den Mitteln der Vereinfachung und Lüge auf Stimmenfang geht. Wir setzen stattdessen auf Argumente und Transparenz. Wir setzen auf Antworten auf den Anspruch des Fremden. Wir setzen auf einen differenzierten Umgang mit Problemen, die durch einfache Lösungen nur verdrängt werden. Die gegenwärtige Situation kann auch als Chance zu einem Neuanfang wahrgenommen werden. Wir sind bereit, dazu unseren Beitrag zu leisten. Ao. Univ. Prof. Dr. Helmuth Vetter Die Studierenden des Instituts für Philosophie der Universität Wien unterstützen diese Stellungahme. II Noch nie hat die Regierung eines demokratischen europäischen Staates so große Proteste im In- und Ausland ausgelöst wie die gegenwärtige Regierung Österreichs. Der Zustand der Republik Österreich kann den zur kritischen Denkarbeit berufenen Philosophen nicht gleichgültig sein. Die Wiener Philosophen erklären deshalb ihre Betroffenheit und bringen einige Argumente vor, welche der Philosophie im allgemeinen und der politischen Ethik im besonderen entsprechen und in der gegenwärtigen politischen Lage berücksichtigt werden sollten: 1. Es zeichnet die Wissenschaften aus, daß gegenüber allem Fremden und Unbekannten grundsätzlich eine tolerante Offenheit und kritische Bereitschaft zu prüfen und zu lernen herrscht - und diese tolerante Haltung sollte auch in Gesellschaft und Politik, insbesondere gegenüber allen - mit gleicher Würde ausgestatteten - Menschen und Mitbürgern gepflegt werden. 2. Der freien Diskurs ist nicht nur ein wichtiges Fundament für den Fortschritt der Wissenschaften, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung zur freien Meinungsbildung, dem wahren Fundament der Demokratie; in der Politik soll daher der freie Diskurs auf alle Fälle gegenüber dem autoritären Führerprinzip und der Dominanz einer Einzelperson über eine Partei oder einen Staat geschützt werden. 3. Die Regierungseignung einer politischen Partei soll nicht einzig und allein an ihrem Urnenerfolg, sondern auch an ihrer demokratischen Entwicklung gemessen werden; zum Beispiel sollen Abgrenzungen gegenüber dem Nationalsozialismus, die zwar hinreichen, damit eine Partei nicht unter das österreichische Gesetz gegen die Wiederbetätigung des Nationalsozialismus fällt, begrüßt und gefördert werden, aber nicht dermaßen fehlinterpretiert werden, daß damit ein hinreichender Eignungsnachweis für die Übertragung von Mitverantwortung an der Regierung eines Staates gegeben wäre. Ao. Univ. Prof. Dr. Erwin Bader III Die Mitglieder des Instituts für Philosophie appellieren an alle politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen, für die Einhaltung der in der Verfassung und in den internationalen Konventionen verankerten Freiheits- und Menschenrechte Sorge zu tragen und deren Standards gegen Übergriffe speziell rassistischer Natur zu verteidigen. O. Univ. Prof. Dr. Norbert Leser IV Die heute international anerkannten Prinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats, die Konzeptionen der Menschenrechte, der Toleranz und die Idee des Weltbürgertums entstammen ursprünglich der Philosophie. Seit der Antike, besonders aber seit dem Zeitalter der Aufklärung wurden diese Prinzipien durch die Philosophie wissenschaftlich legitimiert und weiter entfaltet bis zu den heutigen komplexen Demokratietheorien und Konzeptionen einer multiethnischen Gesellschaft. Im Sinne dieser Tradition registriert das Institut für Philosophie der Universität Wien mit großer Bestürzung, daß hochgestellte Personen des politischen Lebens in Österreich sich immer wieder in verantwortungsloser Weise zu fremdenfeindlichen und sonstwie menschenverachtenden Äußerungen hinreißen lassen. Wir fordern eine hinreichend einmütige, sofortige und entschiedene Distanzierung von solchen Entgleisungen durch die offiziellen Organe der Republik. O. Univ. Prof. Dr. Hans-Dieter Klein --- ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost